Weingut Knoblach, Nordheim
Vor einigen Wochen habe ich an dieser Stelle der Rebsorte Kerner das Prädikat „megaout“ verliehen. Und auch prompt die Argumente dafür geliefert. Binnen 20 Jahren hat die Sorte, einst zu der Winzerschaft Lieblingskindern gehörend, mehr als 60 % ihrer Anbaufläche verloren. Hätte man ihr den Prozess gemacht, so wäre einer der Hauptanklagepunkte gewesen, dass Sie zwar viel Zucker bildet, sprich hohe Mostgewichte liefert, aber das Ganze mit wenig Extrakt unterfüttert ist.
Wenn dem wirklich so ist und sie sonst nur wenige Vorzüge zu liefern hat, dann frage ich mich, weshalb sie jemals so populär werden konnte. Gewiss Moden kommen und gehen, aber ein solches Schicksal hat die Rebsorte in meinen Augen nicht verdient, Deshalb möchte ich auch an dieser Stelle ausdrücklich eine Lanze für diese zum „Aschenputtel“ degradierte Sorte brechen.
Familie Knoblach unterfüttert meine These, dass viele Rebsorten besser sind als ihr Ruf, sofern sich der Winzer auch Mühe mit ihnen gibt auf genussvolle Art und Weise.
Denn nichts mehr und nichts weniger ist die 2015er Spätlese aus der Lage „Nordheimer Vögelein“: ein Hochgenuss.
Das beginnt schon bei der strohgelben, glänzenden Frarbe im Glas. Die Nase ist keineswegs opulent, aber wunderbar fruchtig mit einer exotisch-herben Komponente, welche sich später auch am Gaumen wiederfindet. Es ist nicht immer leicht passende Assoziationen zu finden, aber am nächsten kommt für mein Empfinden der Vergleich mit einem Vertreter aus der Familie der Nachtschattengewächse: die Blasenkirsche, besser bekannt unter dem Namen Kapstachelbeere oder auch Physalis. Daneben schwingt aber auch eine gehörige Portion Mineralik in Form einer „erdigen“ Würze mit.
Am Gaumen zeigt sich dieser feine Tropfen dann auch ein Stück weit als Kind seines Jahrgangs. 2015 war durchaus ein guter bis sehr guter Jahrgang, allerdings hat die große Hitze im Juli teilweise zu Verzögerungen im Reifeverlauf geführt. Vielen Weinen ist eine leicht phenolische Note zu Eigen, welche nicht immer unproblematisch ist. Allerdings bildet die Knoblach’sche Kerner Spätlese definitiv eine Ausnahme, da die angesprochene Note zwar leicht ausgeprägt vorhanden ist, aber im Zusammenspiel mit der dezenten Süße und der feingliedrigen Säure zu einem komplexen Gaumenauftritt beiträgt. Vor allem im Geschmack zeigt sich die bereits oben erwähnte herb-exotische Note. Süße, Säure und zarte Bitternoten bilden ein ausgewogenes Ganzes. Alles befindet sich im Gleichgewicht und sorgt für großes Trinkvergnügen.
Mein Appell an die Winzerschaft lautet jetzt nicht unbedingt: „Pflanzt mehr Kerner“. Und zwar aus dem ganz einfachen Grund, weil es eine große Zahl wertvoller, pflanzwürdiger Sorten gibt. Aber rodet die bestehenden Flächen bitte auch nicht voreilig, denn die Sorte ist besser als ihr Ruf. Just my 5 cents.