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Archiv für den Monat: Februar 2018

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2015 Pinot Noir – anno XV – Spätburgunder Spätlese trocken

Weingut Reichert, Nordheim

Der Spätburgunder als wichtigste rote Sorte in Deutschland – diese Aussage bezieht sich sowohl auf qualitative als auch quantitative Aspekte – muss sich quasi zwangsläufig mit dem Original aus Frankreich messen lassen. Wer von großen Burgunderweinen redet, spricht notwendigerweise auch immer von der Region Burgund. Nun ist es schlechterdings möglich, in Deutschland französische Burgunder zu erzeugen. Aber die besten Exemplare aus Deutschland weisen zumindest in ihrer grundsätzlichen Stilistik in diese Richtung.

Den Gegenpol hierzu bildet meiner Ansicht nach der traditionelle deutsche Spätburgunder. Mit seiner erdbeerduftigen Frucht und Anklängen von Bittermandeln, im schlimmsten Fall mit deutlicher Restsüße versehen, stellt er für meinen Geschmack eher das Zerrbild eines guten Burgunders dar.

Was einen guten Pinot Noir ausmacht sind, Ausgewogenheit, duftige Eleganz bis hin zu sinnlicher Anmutung, moderater Holzeinsatz und Finesse. Der Grund, weshalb ich Ihnen heute die trockene Spätlese von Familie Reichert vorstelle, ist leicht zu erraten. Er besitzt ein gerüttelt Maß von all jenen Eigenschaften.

Die Trauben sind in der Lage „Nordheimer Vögelein“ gewachsen und der Grundwein wurde für ein knappes Jahr in Barriquefässern ausgebaut. In der Farbe zeigt er ein ganz burgundertypisches, eher helles Granatrot. Die Nase verströmt genau jene wunderbar duftige Eleganz, welche ich so schätze. Da ist nichts Vorlautes, da kracht es nicht im Glas, sondern vielmehr vollzieht sich ein Akt der Betörung. Neben fruchtigen, an Kirsche und Pflaume erinnernden Noten, treten zarte Vanilledüfte vom Barriquefass und mit etwas Belüftung sogar Anklänge von rohem Fleisch in Erscheinung. So stelle ich mir einen gelungenen Spätburgunder vor.

Am Gaumen setzt sich die Marschrichtung aus der Nase fort. Auch hier ist Eleganz das Stichwort. Eine feine Säureader sorgt zusammen mit den seidigen Tanninen für einen mittelkräftigen, vornehmen Auftritt. Lediglich eine kleine Bitternote, in Richtung Lakritze gehend, hat anfänglich vielleicht ein wenig die Harmonie gestört. Aber mit zunehmender Belüftung hat sich diese Note immer besser integriert. Dekantieren ist also folglich mit Sicherheit kein Fehler bei diesem Wein. Sollten Sie ihn wie ich zu einem wunderbaren Mittagessen genießen, dann erübrigt sich das „Problem“ sowieso, denn hier fällt diese Note nicht mehr ins Gewicht und der Pinot von Familie Reichert kann wahrhaft französische Qualitäten entwickeln und tatkräftig das „Savoir Vivre“ unterstützen.