2021 Rivaner trocken
Nachdem wir erst vor kurzem einen Müller-Thurgau hier hatten, wundert sich der eine oder andere Leser vielleicht, weshalb heute schon wieder. Vielleicht denken Sie aber auch „Hä, das ist doch gar kein Müller, den er heute vorstellt.“
Doch, doch. Irgendwann in den 90er Jahren, natürlich des 20. Jahrhunderts, hat sich bei manchen Winzern für die Sorte die Bezeichnung „Rivaner“ etabliert. Man wollte weg vom schlechten Image des Müller-Thurgau und hat dem Kind folglich einen neuen Namen geben.
Das Kuriose ist: Obwohl der Wein unter der „modernen“ Bezeichnung Rivaner läuft, finde ich ihn ziemlich klassisch. Genau so stelle ich mir einen fränkischen Müller alter Schule vor. Einen guten natürlich. Ja, die Nase ist fruchtig. Am deutlichsten ist die Apfelnote zu erriechen. Daneben nehme ich aber auch noch an Mirabelle und Reneklode erinnernde Anklänge wahr. Das absolut Faszinierende an diesem Tropfen ist aber seine ausgeprägte Erdigkeit in Verbindung mit den würzigen, mineralischen Noten. In dieser Form kann das einfach nur aus Franken kommen. Behaupte ich jetzt einfach mal. Diese Mirabellennote in Verbindung mit der Erdigkeit, einen Moment lang musste ich sogar an einen Silvaner denken.
Am Gaumen zeigt er sich dann von harmonischer, unaufgeregter Art. Die Säure ist nicht zu vorlaut, aber auch nicht zu „lasch“. Vom Restzucker her liegen wir mit 6 g/l im trockenen Bereich.
Die Frucht ist geschmacklich präsent und zeigt sich in Form von Zitrusnoten und Anklängen von Apfel, aber auch ein Touch Ananas ist dabei. Im Nachhall nehme ich eine leicht herbe, an die Schalen von frischen Walnüssen erinnernde Note wahr.
Auch an der mittelfränkischen Bocksbeutelstraße weiß man einen amtlichen Müller zu erzeugen. Ich würde den Wein vorzugsweise zur Vesperplatte trinken. Dazu dürfte er hervorragend passen, weil er fruchtig, aber nicht zu fruchtig ist und darüber hinaus eine schöne, erdige Note hat. Außerdem ist er trocken ausgebaut. Ein klasse Schoppen.
2021 Nordheimer Vögelein Scheurebe Kabinett trocken – Alte Rebe –
Beim Kabinett von Familie Borst spielen dem Umstand, dass es sich um eine außergewöhnliche Vertreterin handelt, zwei Dinge besonders in die Karten. Zum einen die tief wurzelnden „Alten Reben“, welche für viel Extrakt und in Verbindung mit der sechsstündigen Maischestandzeit für Struktur und mineralische Eindrücke sorgen. Die zweite Besonderheit ist der Rückgriff auf die Spontangärung. Dies bedeutet, dass dem Most keine Reinzuchthefen zugesetzt wurden. Dies bringt eine ganz eigene Qualität in den Wein, welche sich vor allem in den typischen Spontangäraromen in der Nase zeigt. Hier sind in erster Linie eine dezente Gumminote und eine leicht wilde „funky“ Note im Duft zu nennen.
Doch gehen wir kurz einen Schritt zurück und fangen bei der absolut faszinierenden Farbe an. Ein silbrig glänzendes Strohgelb mit zarten Grünreflexen begeistert bereits das Auge. Die Nase wirkt dicht gepackt, ohne dass bestimmte Aromen hervorstechen. Ein dicht gewobener Aromateppich sozusagen.
Wir bewegen uns, was die Frucht anbelangt, eher auf der zitrischen Seite (Limette, Bergamotte, Grapefruit), Cassis bzw. Schwarze Johannisbeere, das Standardaroma fast jeder traditionellen bzw. klassisch deutschen Scheurebe, fehlt gänzlich.
Am Gaumen geht dann die Frische-Post ab. Schlank, lebendig, straight forward zieht unser trockener Kabinett über die Zunge. Dies liegt in erster Linie an der quicklebendigen, viven Säure, welche mit 6,5 g/l fast schon so manchem Riesling Konkurrenz machen kann. Obwohl der Wein von eher leichtem Körper ist, beeindruckt er nichtsdestotrotz mit hoher Geschmacksintensität und langem Nachhall am Gaumen. Hintenraus bleibt eine schöne, an Zitrusfrucht-Zesten erinnernde, herb-bittere Note stehen. Ein delikater Wein, an dem man sich nicht so schnell satt trinkt, wie sonst bei vielen Aromasorten üblich. Insgesamt ein wirklich toller Tropfen, bei dem der Winzer einiges riskiert hat. Spontangärung kann auch gewaltig schieflaufen und zu unbrauchbaren Weinen führen. In unserem Fall wurde die Risikofreude vollauf belohnt mit einer charaktervollen Scheurebe, wie man sie nicht an jeder Ecke findet.
Scheurebe, aber eben anders als sonst gewohnt.
2021 Volkacher Ratsherr Rieslaner Kabinett
Weingut Kirch – Nordheim a. Main
Vor fünf Jahren stand an Ort und Stelle geschrieben: „Dem Rieslaner, einem potenziellen Anwärter auf den Reben-Thron, wird von Deutschlands Winzern die Gefolgschaft versagt. 1921 von August Ziegler an der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim aus den Elternsorten Silvaner und Riesling gekreuzt, handelt es sich im Prinzip um ein autochthones fränkisches Gewächs. Aber gerade einmal 34 Hektar sind noch mit dieser famosen, früher „Mainriesling“ genannten Sorte bestockt. Tendenz fallend.“
Trotz des 100-jährigen Jubiläums im letzten Jahr ist keine Trendwende in Sicht. Die Sorte schafft mit Ach und Krach noch die 30 Hektar in ihrer fränkischen Heimat. Laut aktueller Statistik (Stand: 31.07.2021) sind es 30,4 Hektar. Soweit zur traurigen Chronistenpflicht. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Möglicherweise stabilisiert sich das Ganze ab einem gewissen Zeitpunkt, ähnlich wie beim Traminer, auf einem zugegebenermaßen niedrigen, aber konstanten Niveau. Zu wünschen wäre es dieser tollen Sorte allemal.
In der Zwischenzeit können sich alle „Eingeweihten“ an so eigenständigen, qualitativ hochwertigen Weinen wie dem restsüßen Rieslaner Kabinett vom Weingut Kirch erfreuen. Eigentlich gilt beim Rieslaner die Devise „ab Spätlese aufwärts beginnt der Spaß“. Aber zum einen bestätigen Ausnahmen bekanntlich die Regel und zum anderen handelt es sich im Prinzip um eine tiefgestapelte Spätlese. Betrachtet man die beiden Werte Alkoholgehalt und natürlichen Restzucker des Weines, so dürften die Trauben bei der Lese so um die 95° Oechsle gehabt haben. Die Kategorie Spätlese beginnt bei 90°. QED.
Doch wie präsentiert sich unser thronloser König im Glas? Grandios, wie ich finde. Einen besseren Sommerwein mit viel Anspruch und Tiefgang kann ich mir kaum vorstellen.
Im Glas präsentiert sich der Wein mit hellem Strohgelb. Zarte Grünreflexe signalisieren, dass wir es mit einem Gewächs im Jugendstadium zu tun haben. Der verführerische Duft ist nicht, wie sonst so oft beim Rieslaner, von exotischen Fruchtnoten geprägt, sondern in unserem Fall eher von Anklängen nach reifer Birne, Honigmelone und etwas weißer Johannisbeere.
Die Nase stellt im Prinzip schon die reine Verführung dar. Aber so richtig geht die Post dann am Gaumen ab. Welche eine Rasse, welch eine Noblesse. So wie man sich einen echten Aristokraten vorstellt. Die 21 g/l Restzucker katapultieren den Wein zwar offiziell in die Kategorie der lieblichen Weine, aber in unserem Fall schmeckt der Rieslaner Kabinett von Familie Kirch halbtrocken, da die animierende, geradezu rassige Säure den Restzucker „auffrisst“ oder kaschiert, könnte man auch sagen. Die quicklebendige, frische Art sorgt unweigerlich dafür, dass die Hand schneller zum Glas geht als man vielleicht möchte. Im langen Nachhall stellt sich schließlich eine zestige Limettennote ein, welche für einen grandiosen, zartbitteren Abschluss sorgt.
Und das Beste kommt selbstredend zum Schluss. Der Preis: Weniger als 8 Euro für solch eine herausragende Qualität ist in der heutigen Zeit einfach nur als konsumentenfreundlich zu bezeichnen.
2021 Nordheimer Vögelein Rosé Spätlese trocken
Weingut Dieter Knoblach, Nordheim am Main
Frei nach Robert Lembke könnte die heute gestellte Frage lauten: „Welchen Rosé hätten S‘ denn gern?“ Einen von der „hedonistischen“ Sorte oder einen eher seriösen Vertreter?
Sollten Sie zu letzterem tendieren, so sind Sie hier genau richtig. Sollten Sie doch eher zu der Hedonisten-Version neigen, so sind Sie ebenfalls richtig. Die pinkfarbene Spätlese aus der weithin bekannten Lage „Nordheimer Vögelein“ vereint das Beste aus beiden Welten in sich. Ich vermute, dass einer der Gründe die Auswahl der verwendeten Rebsorte(n) ist.
Wie in den allgemeinen Informationen zum Thema Rosé ja bereits geschrieben steht, muss ein Rosé-Wein ausschließlich aus roten Trauben gekeltert werden. Im Gegensatz zum Weißherbst, welcher quasi eine Spezialkategorie des Rosés darstellt und aus einer einzigen Sorte gekeltert werden muss, dürfen für den Rosé mehrere rote Sorten verwendet und miteinander verschnitten werden. Welche Sorten bei unserer trockenen Spätlese vom Weingut Knoblach zum Einsatz kamen, ist ohne konkrete Nachfrage beim Winzer gar nicht so leicht zu beantworten. Immerhin baut das Weingut mit Acolon, Domina, Dornfelder und Spätburgunder vier verschiedene rote Sorten an.
Obwohl ich aufgrund der relativ kräftigen Farbe (Pink mit leicht orangefarbenem Schimmer) und der ausgeprägten Frucht nach Kirsche (Kirschjoghurt) und reifen, dunklen Zwetschgen, erst einen Spätburgunder ausschloss, besteht der Rosé tatsächlich aus 55 % Spätburgunder und 45 % Domina. Zu der üppigen Fruchtigkeit gesellt sich aber noch eine schöne Würze, welche an Kräuter und Blattgrün erinnert. Sehr gut gefällt mir dabei, dass der Wein nicht ins Bonbonhafte abgleitet wie manch andere Roséweine. Die Nase ist zwar auf Frucht gebaut, aber das Ganze wirkt überhaupt nicht kitschig.
Nun steigt aber die Spannung auf den ersten Schluck und den damit verbundenen Auftritt am Gaumen. Geschmacklich dominieren ganz klar die kirschigen Noten aus der Nase und zwar geht das Ganze in Richtung Süßkirsche. Aber auch im Geschmack kommen kräutrige, ganz zart bittere, an Aperol erinnernde Noten, zum Tragen. Das ist ganz raffiniert und das Zusammenspiel von Frucht, lebendigem Säurespiel, kräutriger Bitterkeit und trockener Performance (nur knapp über fränkisch trocken) macht einfach nur Spaß. Aber dennoch verströmt der Rosé von Familie Knoblach auch eine Aura von „Seriosität“ und bietet mehr als unkomplizierten Trinkgenuss. Auch anspruchsvollere Weinliebhaber*innen sollten sich einmal an diesen Tropfen heranwagen.
Wie eingangs bereits geschrieben, schafft dieser tolle Rosé spielend den Spagat zwischen hedonistisch, leicht trinkbar und anspruchsvoll mit einer gewissen Komplexität.
Ein bunter Melonen-Paprikasalat mit Feta und Mandeln dürfte mit Sicherheit eine grenzgeniale Kombi sein mit unserem „Wein der Woche“.
2020 Father & Son – Die sanfte R.Evolution
Bei Father & Son muss ich zwangsläufig sofort an den berühmten Song von Cat Stevens denken. Gleich die erste Textzeile lautet: „It’s not time to make a change“. Ich weiß nicht, ob das bekannte Lied als Inspiration für den Namen des Weines gedient hat, aber ich weiß auf jeden Fall, dass die zitierte Textpassage nicht für das Weingut Ruppert gilt.
Vater Ewald Ruppert und sein Sohn Fred haben über die Jahre viel verändert und sind sehr innovationsfreudig. Vor allem, was den Anbau neuer Rebsorten anbelangt. Für einen Biobetrieb liegt es natürlich nahe, pilzresistente bzw. -tolerante Sorten anzubauen. So verwundert es nicht, dass mit Souvignier Gris, Muscaris, Sauvignac, Helios und Johanniter gleich fünf pilztolerante Neuzüchtungen angebaut werden.
So paradox es im ersten Moment klingen mag, aber manchmal besteht der Fortschritt im Rückwärtsgehen. Konkret in der Rekultivierung uralter, vom Aussterben bedrohter Rebsorten wie Adelfränkisch, Grünfränkisch, Kleinberger und Ahorntraube. Aber auch der für Franken mittlerweile als klassisch zu bezeichnende Müller-Thurgau wird hier seit der Gründung des Betriebes im Jahr 1981 angebaut.
Was Vater und Sohn Ruppert in der Monopollage „Kirchschönbacher Mariengarten“ auf die Beine gestellt haben, ist einfach nur lobenswert und hochspannend. Der vorhandene Weinlehrpfad mit seinen Rebsorten- und Thementafeln klärt über neue und alte Rebsorten und die Besonderheiten der Lage auf. Für thematisch Interessierte dürfte eine Abstecher in den Steigerwald allemal lohnen.
Lässt sich die Theorie des Lehrpfades doch auf genussvolle Weise hinterher ganz praktisch im Glas nachvollziehen bei einem Besuch im Weingut. Was die alten Sorten anbelangt so ist dies mit dem „Adelfränkisch ‚vom Creutz’“ und dem „Alten Fränkischen Satz“ möglich. Bei den PIWIs (pilzwiderstandsfähige Sorten) bieten sich Johanniter und Helios an.
Unser Wein vereint beide Welten. Es handelt sich um eine Cuvée aus dem altbewährten Müller-Thurgau und einer neuen Sorte, wahrscheinlich Johanniter.
Er stammt aus dem warmen Jahrgang 2020 und kommt mit blass strohgelber Farbe ins Glas. Der Müller-Thurgau-Anteil bringt eine zarte (Muskat-)Würze in den Wein. Insgesamt würde ich das Nasenbild als dezent fruchtig bezeichnen. Es drängen sich keine Aromen in den Vordergrund und rufen laut „hier, hier, hier“. In erster Linie nehme ich Noten von rotwangigen Aprikosen und reifem Apfel wahr. Auch eine an Wachs erinnernde Note, wie sie viele Chenin-Blanc-Weine von der Loire aufweisen, ist vorhanden.
Obwohl er nicht einmal ganz 12 % Vol. Alkohol hat, wirkt er am Gaumen gehaltvoll und kommt unheimlich rund und ausgewogen rüber. Vom Restzuckergehalt her ist der Wein mit 8,4 g/l zwar im Bereich trocken (< 9g/l), jedoch liegt die Säure etwas zu niedrig, so dass er als halbtrocken firmieren muss. Geschmacklich steht das Apfelaroma aus der Nase in Verbindung mit einer schönen, sowohl muskatigen als auch mineralischen Würze im Vordergrund. Der Abgang ist weich und von großer Harmonie geprägt, ohne langweilig zu sein. Wer harmonische Weißweine ohne krasse Säure und knallige Aromen mag, liegt hier goldrichtig. Er besitzt zwar nicht den vordergründigen Fun-Faktor, wie man ihn gemeinhin von einem Sommerwein erwartet, aber warum nicht einfach mal einen „ernsten“ Terrassenwein probieren. Das Zeug dazu hat er allemal.