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2021 Nordheimer Vögelein Rieslaner Spätlese lieblich

Mindestens ein- bis zweimal im Jahr muss es an dieser Stelle dann doch ein Rieslaner sein. Immerhin ist die Sorte ein fränkisches Kind und verdient es dank ihres überragenden Qualitätspotentials unbedingt am Leben erhalten zu werden. Es handelt sich bekanntermaßen um eine Kreuzung aus den Elternsorten Riesling und Silvaner, welche 1921 von Dr. August Zie­gler in Veits­höch­heim an der Baye­ri­schen Lan­des­an­stalt für Wein­bau und Gar­ten­bau durchgeführt wurde.

In den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts erfreuten sich eine ganze Reihe von Neuzüchtungen großer Beliebtheit in der Region Franken. Dies lag unter anderem daran, dass der langjährige Direktor der oben genannten Landesanstalt, Hans Breider, von Haus aus Rebenzüchter war und die fränkische und gesamtdeutsche Winzerschaft mit zahlreichen frostbeständigen und zugleich ertragssicheren Sorten beglückte. Die meisten sind längst wieder verschwunden aus deutschen Rebgärten. Lediglich die frühreifende Ortega hat noch eine gewisse Bedeutung als Lieferant des ersten alljährlichen Federweißens Ende August. Die meisten anderen wie Perle von Alzey, Mariensteiner, Albalonga oder Fontanara kennt heute kaum mehr jemand. Dies ist auch nicht weiter tragisch, da diese Sorten den Winzern aufgrund ihrer Ertragssicherheit zwar ein sicheres Einkommen bescherten, aber dafür qualitativ nicht in der obersten Liga mitspielen konnten. In Zeiten des Klimawandels spielen ertragsmindernde Frühfröste nicht mehr die große Rolle wie einstmals, so dass es dieser Sorten nicht mehr unbedingt bedarf.

Beim Rieslaner verhält es sich allerdings etwas anders als bei den oben genannten Neuzüchtungen. Der Rieslaner kann es qualitativ sogar mit dem Riesling aufnehmen und buhlt mit diesem um die Krone der besten weißen Rebsorte. Allerdings erst ab Spätleseniveau aufwärts und dann auch eher im nichttrockenen Segment. Deshalb kann es auch kaum überraschen, dass unsere Spätlese vom Weingut Reichert mit satten 30 g/l Restsüße lieblich daher kommt.

Zweifellos handelt es sich von den inneren Werten her um eine abgestufte Auslese.

Allein schon die satte, goldgelbe Farbe, welche für einen so jungen Wein ziemlich tief ist, deutet darauf hin. Handelt es sich doch um die Farbschattierung eines edelsüßen Weines. Die Nase zeugt ebenfalls von der hohen Reife des Traubenmaterials. Wir haben hier zwar nicht die exotischen Noten von Mango und Maracuja, wie es beim Rieslaner manchmal vorkommt, aber mit seinen betörenden Noten von reifer Ananas, gelbem Apfel und feinsten Zitrusfrucht-Anklängen macht er sofort Laune auf den ersten Schluck.

Wenn man die Sorte kennt, weiß man auch, dass in der Regel eine rieslingartige, lebendige Säure zu erwarten ist. Folglich erwarte ich mir einen saftigen, mundwässernden Gaumenauftritt. Und in der Tat sorgt die lebendige Säure mit ihren annähernd 8 g/l für eben diesen. Fruchtig, rassig, saftig, verspielt, einfach genial kommt mir in den Sinn. Eine herb-fruchtige Limetten-Note sorgt im Zusammenspiel mit der Restsüße, welche im gefühlten Kontext den Rohrzucker verkörpert, für Assoziationen in Richtung Caipirinha. Ich weiß, hört sich ungewöhnlich an, ist aber für mein Empfinden ein klein wenig so. Wenn Sie es anders wahrnehmen: auch nicht schlimm. Ändert auf jeden Fall nichts an der Qualität des Weines. Genial bleibt genial.

Für mich ist das einfach ein genialer Terrassen-Wein. Mit seinen 11,5 % Vol. bewegt er sich alkoholtechnisch noch im vertretbaren Bereich, auch im Hochsommer. Seine Aromatik schreit geradezu nach Sonnenschein und Sommer. Nicht Tequila-Sunrise, sondern Rieslaner-Sundown.

Rote Superior-Selection

Heute wagen wir uns bewusst in den absoluten Premium-Bereich vor. Immerhin ist das Osterfest nicht mehr fern und die Haxe, das Karree, der Eintopf oder das Filet vom Lamm möchten schließlich adäquat begleitet werden. Aber auch über diesen Zeitpunkt hinaus werden die drei prächtig geratenen Tropfen aus unserem Superior-Selection-Paket noch lange Freude bereiten, da sie ohne weiteres ein Lagerpotential von einigen Jahren aufweisen. Da Abwechslung bekanntlich das halbe Leben ist, finden Sie neben dem deutschen Rotweinklassiker Spätburgunder mit einem Merlot und einem Cabernet Sauvignon auch noch zwei internationale Sorten in diesem Paket. Auch auf diesem Parkett wissen sich die fränkischen Winzer mittlerweile selbstsicher zu bewegen, wie im Folgenden beschrieben.

2019 Spätburgunder trocken „tempus et spatium“
Weingut Borst, Nordheim am Main

Wie nicht anders zu erwarten, präsentiert sich der Pinot vom Weingut Borst mit der hellsten Farbe der drei Weine aus diesem Paket. Ganz klassisch für einen Spätburgunder funkelt es granatrot im Glas. Ich habe bewusst den Begriff Pinot gewählt zwei Zeilen weiter oben, da wir einen Sortenvertreter im Glas haben, welcher sich trotz aller stilistischen Unterschiede nicht vor dem großen Vorbild aus dem Burgund verstecken muss. Die Nase ist absolut betörend. Wunderbar duftig und elegant, eben so wie es sich für einen ausgezeichneten Pinot Noir gehört. Neben einer Note von eingelegten Kirschen konkurrieren zarte Brombeeranklänge und sogar etwas Preiselbeere um die Aufmerksamkeit des geneigten Genießers. Feinste Würznoten und eine harmonische Vanillenote vom Holzfassausbau runden das traumhaft schöne Nasenbild ab.

Am Gaumen präsentiert sich unser Spätburgunder aus dem sehr guten Jahrgang 2019 mit 0,2 g/l Restzucker absolut trocken. Dennoch wirkt er nicht knalltrocken, da er sich mit seinen seidigen und ultrafeinen Tanninen absolut harmonisch, ja geradezu verführerisch am Gaumen präsentiert. Die saftige Sauerkirschfrucht sorgt in Verbindung mit der feinen Säureader für einen noblen und eleganten Eindruck. Trotz der 13,5 % Vol. Alkohol wirkt der Wein nicht schwer oder alkoholisch. Die Holznoten sind allerbestens integriert und stören die Frucht in keiner Weise. Man merkt dem Wein an, dass der Winzer das Optimale herausholen wollte. Da hat jemand einen Plan gehabt, den er konsequent verfolgt hat und die Natur hat mitgespielt. Nach strenger Selektion der Trauben im Weinberg, wurde die Maische spontan vergoren. Der biologische Säureabbau erfolgte im Holzfass bevor der Wein nach lediglich einer Filtration abgefüllt wurde. Ein klasse Pinot wie man ihn nicht alle Tage im Glas hat. Ein echter Festtagswein!

2020 Merlot trocken „Edition Lukas“ Randersackerer Sonnenstuhl
Weingut Am Marsberg, Randersacker

Wir steigern uns mit der Intensität und kommen nun zu einer der beliebtesten internationalen Rotweinsorten, welche auch in Franken seit mittlerweile über zwanzig Jahren angebaut wird: dem Merlot. Der Wein zeigt ein strahlendes Rubinrot mit einem zarten Wasserrand. Die Nase ist sehr typisch für einen Merlot aus kühleren Anbaugebieten. Neben einer pflaumigen Frucht prägen zusätzlich noch würzige und ganz zart grüne, vegetabile Noten den Gesamteindruck. Darüber hinaus nehme ich sogar noch eine leichte, für Frische sorgende Eukalyptus-Note wahr. In Verbindung mit der vorhandenen Kakao-Note werden ein klein wenig Assoziationen an ein gewisses, gefülltes Schokoladentäfelchen wach. Sie wissen schon!

Die Nase ist durchaus schon schön, aber am Gaumen folgt dann der große Auftritt. Superstar Merlot präsentiert sich hier von seiner schönsten und vor allem typischen Seite. Die Tannine sind herrlich mürbe und ganz wichtig „schokoladig“. So liebe ich meinen Merlot! Die Frucht ist ganz dunkel und geht in Richtung würziger Brombeeren. Der Alkohol von immerhin 14 % Vol. ist sehr gut eingebunden. Auch der Merlot aus Randersacker ist wie unser erster Wein vorbildlich trocken mit gerade einmal 0,5 g/l Restzucker. Mit diesem tollen Rotwein beweist Winzer Holger Schmachtenberger, dass er auch internationale Sorten beherrscht.

2018 Cabernet Sauvignon RS trocken Dertinger Mandelberg
Weingut Oesterlein, Wertheim/Dertingen

So, jetzt stellt sich gleich heraus, ob der alte Spruch „Das Beste kommt zum Schluss“ im Falle unseres Premium-Rotweinpakets zutrifft. Auch hier haben wir es erneut, wie beim vorherigen Wein bereits, mit einer internationalen Sorte zu tun: dem Cabernet Sauvignon. Wenn sich die beiden Winzer zusammentäten, könnten Sie fast einen fränkischen Bordeaux auf die Flasche ziehen. Doch Scherz beiseite.

Der Cabernet von Familie Oesterlein stammt aus dem Hitzejahr 2018 und hatte somit für eine spätreifende Sorte, wie es der Cabernet Sauvignon nun einmal ist, ideale Voraussetzungen. Dennoch kommt er mit vergleichsweise moderaten 12,5 % Vol. Alkohol ins Glas, was aber beispielsweise für einen klassischen Bordeaux bis vor 20 Jahren völlig normal war. Klassisch eben. Von den drei Weinen zeigt er im Glas die tiefste Farbe. Wie der Merlot von oben ebenfalls rubinrot, aber etwas konzentrierter. Die Nase ist von würzigen, sanft an Paprika erinnernden Noten geprägt. Genauso wie bei vielen Sauvignon-Blanc-Weinen sind es die sogenannten Pyrazine, welche für diese Note sorgen. Mit zunehmender Verweildauer im Glas nimmt dieser Duft aber ab und einige Rispen Schwarze Johannisbeeren kommen zum Vorschein. Das Ganze wird schließlich noch abgerundet durch feine Tabaknoten und Anklänge von Sattelleder.

Genau diese fruchtigen Johannisbeer-Noten aus der Nase prägen den Auftakt am Gaumen, bevor dann die kernigen Gerbstoffe für einen maskulinen, strengen, aber durch und durch beeindruckenden Geschmacksauftritt sorgen. Hier haben wir im positiven Sinne das Gegenstück zu unserem eleganten und femininen Spätburgunder von oben. Einen klassischen, herben „Männerwein“, um im Klischee zu bleiben. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Ja, was soll ich noch sagen. Schöner kriegen Sie das nicht zwingend zu diesem Preis in Frankreich. Nicht günstig, aber seinen Preis wert. Der krönende Abschluss eines grandiosen Rotweinpakets!

https://www.frankenweinliebhaber.de/weingut/franken/11439.Probierpaket-Rote-Superior-Selection.html

2021 Rivaner trocken

Weingut Düll

Nachdem wir erst vor kurzem einen Müller-Thurgau hier hatten, wundert sich der eine oder andere Leser vielleicht, weshalb heute schon wieder. Vielleicht denken Sie aber auch „Hä, das ist doch gar kein Müller, den er heute vorstellt.“

Doch, doch. Irgendwann in den 90er Jahren, natürlich des 20. Jahrhunderts, hat sich bei manchen Winzern für die Sorte die Bezeichnung „Rivaner“ etabliert. Man wollte weg vom schlechten Image des Müller-Thurgau und hat dem Kind folglich einen neuen Namen geben.

Das Kuriose ist: Obwohl der Wein unter der „modernen“ Bezeichnung Rivaner läuft, finde ich ihn ziemlich klassisch. Genau so stelle ich mir einen fränkischen Müller alter Schule vor. Einen guten natürlich. Ja, die Nase ist fruchtig. Am deutlichsten ist die Apfelnote zu erriechen. Daneben nehme ich aber auch noch an Mirabelle und Reneklode erinnernde Anklänge wahr. Das absolut Faszinierende an diesem Tropfen ist aber seine ausgeprägte Erdigkeit in Verbindung mit den würzigen, mineralischen Noten. In dieser Form kann das einfach nur aus Franken kommen. Behaupte ich jetzt einfach mal. Diese Mirabellennote in Verbindung mit der Erdigkeit, einen Moment lang musste ich sogar an einen Silvaner denken.

Am Gaumen zeigt er sich dann von harmonischer, unaufgeregter Art. Die Säure ist nicht zu vorlaut, aber auch nicht zu „lasch“. Vom Restzucker her liegen wir mit 6 g/l im trockenen Bereich.

Die Frucht ist geschmacklich präsent und zeigt sich in Form von Zitrusnoten und Anklängen von Apfel, aber auch ein Touch Ananas ist dabei. Im Nachhall nehme ich eine leicht herbe, an die Schalen von frischen Walnüssen erinnernde Note wahr.

Auch an der mittelfränkischen Bocksbeutelstraße weiß man einen amtlichen Müller zu erzeugen. Ich würde den Wein vorzugsweise zur Vesperplatte trinken. Dazu dürfte er hervorragend passen, weil er fruchtig, aber nicht zu fruchtig ist und darüber hinaus eine schöne, erdige Note hat. Außerdem ist er trocken ausgebaut. Ein klasse Schoppen.

2021 Nordheimer Vögelein Scheurebe Kabinett trocken – Alte Rebe –

Weingut Borst, Nordheim
Das Motto heute lautet: Scheurebe, aber anders.Anders als man es gemeinhin von der Sorte gewohnt ist: Typische Assoziationen sind normalerweise, je nachdem ob es sich um den klassischen oder den modernen Typus handelt, Schwarze Johannisbeere, Pfirsich/Nektarine, Pink Grapefruit und würzige Noten.

Beim Kabinett von Familie Borst spielen dem Umstand, dass es sich um eine außergewöhnliche Vertreterin handelt, zwei Dinge besonders in die Karten. Zum einen die tief wurzelnden „Alten Reben“, welche für viel Extrakt und in Verbindung mit der sechsstündigen Maischestandzeit für Struktur und mineralische Eindrücke sorgen. Die zweite Besonderheit ist der Rückgriff auf die Spontangärung. Dies bedeutet, dass dem Most keine Reinzuchthefen zugesetzt wurden. Dies bringt eine ganz eigene Qualität in den Wein, welche sich vor allem in den typischen Spontangäraromen in der Nase zeigt. Hier sind in erster Linie eine dezente Gumminote und eine leicht wilde „funky“ Note im Duft zu nennen.

Doch gehen wir kurz einen Schritt zurück und fangen bei der absolut faszinierenden Farbe an. Ein silbrig glänzendes Strohgelb mit zarten Grünreflexen begeistert bereits das Auge. Die Nase wirkt dicht gepackt, ohne dass bestimmte Aromen hervorstechen. Ein dicht gewobener Aromateppich sozusagen.

Wir bewegen uns, was die Frucht anbelangt, eher auf der zitrischen Seite (Limette, Bergamotte, Grapefruit), Cassis bzw. Schwarze Johannisbeere, das Standardaroma fast jeder traditionellen bzw. klassisch deutschen Scheurebe, fehlt gänzlich.

Am Gaumen geht dann die Frische-Post ab. Schlank, lebendig, straight forward zieht unser trockener Kabinett über die Zunge. Dies liegt in erster Linie an der quicklebendigen, viven Säure, welche mit 6,5 g/l fast schon so manchem Riesling Konkurrenz machen kann. Obwohl der Wein von eher leichtem Körper ist, beeindruckt er nichtsdestotrotz mit hoher Geschmacksintensität und langem Nachhall am Gaumen. Hintenraus bleibt eine schöne, an Zitrusfrucht-Zesten erinnernde, herb-bittere Note stehen. Ein delikater Wein, an dem man sich nicht so schnell satt trinkt, wie sonst bei vielen Aromasorten üblich. Insgesamt ein wirklich toller Tropfen, bei dem der Winzer einiges riskiert hat. Spontangärung kann auch gewaltig schieflaufen und zu unbrauchbaren Weinen führen. In unserem Fall wurde die Risikofreude vollauf belohnt mit einer charaktervollen Scheurebe, wie man sie nicht an jeder Ecke findet.

Scheurebe, aber eben anders als sonst gewohnt.

2021 Volkacher Ratsherr Rieslaner Kabinett

Weingut Kirch – Nordheim a. Main

Vor fünf Jahren stand an Ort und Stelle geschrieben: „Dem Rieslaner, einem potenziellen Anwärter auf den Reben-Thron, wird von Deutschlands Winzern die Gefolgschaft versagt. 1921 von August Ziegler an der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim aus den Elternsorten Silvaner und Riesling gekreuzt, handelt es sich im Prinzip um ein autochthones fränkisches Gewächs. Aber gerade einmal 34 Hektar sind noch mit dieser famosen, früher „Mainriesling“ genannten Sorte bestockt. Tendenz fallend.“

Trotz des 100-jährigen Jubiläums im letzten Jahr ist keine Trendwende in Sicht. Die Sorte schafft mit Ach und Krach noch die 30 Hektar in ihrer fränkischen Heimat. Laut aktueller Statistik (Stand: 31.07.2021) sind es 30,4 Hektar. Soweit zur traurigen Chronistenpflicht. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Möglicherweise stabilisiert sich das Ganze ab einem gewissen Zeitpunkt, ähnlich wie beim Traminer, auf einem zugegebenermaßen niedrigen, aber konstanten Niveau. Zu wünschen wäre es dieser tollen Sorte allemal.

In der Zwischenzeit können sich alle „Eingeweihten“ an so eigenständigen, qualitativ hochwertigen Weinen wie dem restsüßen Rieslaner Kabinett vom Weingut Kirch erfreuen. Eigentlich gilt beim Rieslaner die Devise „ab Spätlese aufwärts beginnt der Spaß“. Aber zum einen bestätigen Ausnahmen bekanntlich die Regel und zum anderen handelt es sich im Prinzip um eine tiefgestapelte Spätlese. Betrachtet man die beiden Werte Alkoholgehalt und natürlichen Restzucker des Weines, so dürften die Trauben bei der Lese so um die 95° Oechsle gehabt haben. Die Kategorie Spätlese beginnt bei 90°. QED.

Doch wie präsentiert sich unser thronloser König im Glas? Grandios, wie ich finde. Einen besseren Sommerwein mit viel Anspruch und Tiefgang kann ich mir kaum vorstellen.

Im Glas präsentiert sich der Wein mit hellem Strohgelb. Zarte Grünreflexe signalisieren, dass wir es mit einem Gewächs im Jugendstadium zu tun haben. Der verführerische Duft ist nicht, wie sonst so oft beim Rieslaner, von exotischen Fruchtnoten geprägt, sondern in unserem Fall eher von Anklängen nach reifer Birne, Honigmelone und etwas weißer Johannisbeere.

Die Nase stellt im Prinzip schon die reine Verführung dar. Aber so richtig geht die Post dann am Gaumen ab. Welche eine Rasse, welch eine Noblesse. So wie man sich einen echten Aristokraten vorstellt. Die 21 g/l Restzucker katapultieren den Wein zwar offiziell in die Kategorie der lieblichen Weine, aber in unserem Fall schmeckt der Rieslaner Kabinett von Familie Kirch halbtrocken, da die animierende, geradezu rassige Säure den Restzucker „auffrisst“ oder kaschiert, könnte man auch sagen. Die quicklebendige, frische Art sorgt unweigerlich dafür, dass die Hand schneller zum Glas geht als man vielleicht möchte. Im langen Nachhall stellt sich schließlich eine zestige Limettennote ein, welche für einen grandiosen, zartbitteren Abschluss sorgt.

Und das Beste kommt selbstredend zum Schluss. Der Preis: Weniger als 8 Euro für solch eine herausragende Qualität ist in der heutigen Zeit einfach nur als konsumentenfreundlich zu bezeichnen.