Home » 2020

Archiv für das Jahr: 2020

Archive

Zum Jahresende lassen wir die Korken knallen!

2018 Scheurebe-Sekt Extra Trocken

Weingut Laufer, Prichsenstadt

Dass Deutschland beim Schaumweinkonsum Weltspitze ist, darf fast schon als Allgemeingut gelten. Die Geschichte mit der Sektsteuer und Kaiser Wilhelm II. dürfte den meisten Weintrinkern ebenfalls geläufig sein. Auch der bemerkenswert niedrige Durchschnittspreis pro verkaufter Flasche Sekt ist kein Geheimnis. Auf all diese Umstände und Tatsachen bin ich schon einmal eingegangen, als ich vor gut einem Jahr diesen Sekt aus dem Weingut Laufer, welcher immer noch käuflich zu erwerben ist, vorgestellt habe: https://www.frankenweinliebhaber.de/weingut/laufer/6786.Sekt-Pinot-extra-brut.html.

Übrigens ein ganz ausgezeichneter Sekt für alle Liebhaber besonders trockener Schaumweine. Der heute von mir vorgestellte Scheurebe-Sekt ist Extra Trocken. Falls Sie jetzt denken sollten, dass er damit besonders trocken ist, so muss ich Sie leider enttäuschen. Die Geschmacksangaben bzw. das Bezeichnungsrecht sind beim deutschen Sekt etwas verwirrend.

Zur besseren Illustration möchte ich drei Bezeichnungen herausgreifen und die Restzuckergehalte beim Wein und Sekt vergleichen.

Ein Wein darf sich in Abhängigkeit von seinem Säurewert trocken nennen, wenn er maximal 9g/l Restzucker enthält. Beim Sekt entspricht trocken (dry) einer Spannbreite von 17 – 32 g/l Restzucker. Das wäre beim Wein lieblich ( mehr als 18 g/l). Was beim Sekt als halbtrocken gilt (32 – 50 g/l), wäre beim Wein süß. Halbtrocken beim Wein (9 – 18 g/l) ist beim Sekt Extra Trocken. Damit wären dann alle Klarheiten beseitigt, oder? Aber lassen Sie sich nicht verunsichern und merken Sie sich einfach: Wer es beim Sekt besonders trocken oder normal trocken mag, greift auf Extra Brut und Brut zurück. Wer gerne eine feine Restsüße mag, trinkt Extra Trocken oder Trocken.

Der extra trockene (12-17 g/l) Scheurebe-Sekt vom Weingut Laufer ist folglich auch nicht ganz besonders trocken wie die Bezeichnung suggerieren könnte, sondern er hat eine feine Restsüße, welche die ausgeprägte Fruchtigkeit der Rebsorte wunderbar unterstreicht. Ich bin übrigens ein großer Fan versekteter Aromasorten. Egal, ob es sich um Scheurebe, Muskateller, Rieslaner oder Sauvignon Blanc handelt. Die feinen Perlen unterstreichen die Sortenaromatik meistens und kitzeln quasi ein Mehr an Frucht heraus. Umgekehrt sorgt die ausgeprägte Frucht der Grundweine für eine Süffigkeit und Trinkanimation, welche nicht zu unterschätzen ist.

Als Grundlage für den ganz ausgezeichneten , von mir heute vorgestellten Sekt aus dem Weingut Laufer diente ein Scheurebe-Wein aus dem Jahrgang 2018, welcher vom Reifegrad her im Kabinettbereich angesiedelt war. In der Farbe zeigt er ein strahlendes Strohgelb. Die Nase ist eine Wucht. Welch eine Fruchtigkeit! Aber nicht von der plumpen und plakativen Art, sondern ungemein raffiniert und die Sinne betörend. Neben einer absolut sortentypischen Cassisfrucht macht sich eine exotische, an Passionsfrucht erinnernde Note bemerkbar. Ergänzt wird das Ganze durch eine salzig-mineralische Anmutung, die sich später auch im Nachhall wiederfindet.

Das feine Mousseux und die ultrafokussierte Säure sorgen für einen unglaublich belebenden und erfrischenden Gaumenauftritt. Feinheit und Eleganz stehen im Vordergrund. Die Frucht geht in Richtung Zitrus und Schwarze Johannisbeere ergänzt um einen Hauch Maracuja. Das ist so frisch und vif, dass ich mich im positiven Sinne sogar ein wenig an die Brausestäbchen aus meinen Kindheitstagen erinnert fühle. Das ist ganz großes Schaumwein-Kino. Zumindest für meinen Geschmack.

 

 

#schmittino Rotweincuvée trocken

Weingut Ludwig Schmitt, Gerbrunn

Wie Sie vielleicht schon bemerkt haben, ist meine „Kolumne“ in den letzten Wochen ziemlich rotweinlastig. Dies hat ganz profane Gründe. In erster Linie liegt es daran, dass mein Weingeschmack bis zu einem gewissen Grad schon von jeher jahreszeitlich geprägt war. Im Frühjahr und Sommer, sprich der warmen bis heißen Jahreszeit, überwiegt die Lust auf Weiß- und Roséweine. Im Herbst und Winter, wenn es draußen ungemütlich und kalt wird, spenden gut strukturierte Rotweine Wärme und Trost.

Das Weingut Ludwig Schmitt aus Gerbrunn bietet mit seiner Rotweincuvée „schmittino“ einen Grenzgänger an, welcher sowohl in der warmen Jahreszeit, am besten leicht gekühlt, als auch im Herbst und Winter kredenzt werden kann. Es handelt sich um einen fruchtbetonten, mittelkräftigen Rotwein, welcher eine Cuvée aus den drei Neuzüchtungen Domina, Regent und Dornfelder darstellt.

Bereits in der Nase gibt er klar die Richtung vor. Fruchtig und eingängig, wie er sich präsentiert, möchte er einer breiten Schicht von Weintrinkern imponieren, ohne sich aber zu sehr anzubiedern. Von einem Frucht-Overkill sind wir weit entfernt. Dafür sorgen feinwürzige und leicht rauchige Noten, welche die herrlich reintönige, dunkle Beerenfrucht aus der Nase ergänzen bzw. begleiten. Die rauchig-würzigen Noten stammen vom teilweisen Ausbau im Holzfass, was für einen Rotwein dieser Preisklasse durchaus bemerkenswert ist, und ergänzen die saftige, mit einem Touch Vanille unterlegte Brombeer- und Preiselbeerfrucht perfekt.

Am Gaumen nimmt die Frucht geschmacklich leicht säuerliche Züge an. In erster Linie wird bei mir die Assoziation reifer Sauerkirschen geweckt. Die Tannine sind harmonisch und feinkörnig und werden im Nachhall von der strukturgebenden Säure abgelöst, welche sich mit einer feinen Bitternote verbindet.

Ein feiner Rotwein, den ich mir sowohl solo getrunken gut vorstellen kann als auch als Begleiter zu rustikalen Schmorgerichten wie einem Gulasch, Rinder- und Schweinebäckchen oder auch einem deftigen Zwiebelrostbraten.

2019 Blanc de Noir Kabinett trocken

Weingut Reichert, Nordheim

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein großer Anhänger guter Blanc-de-Noir-Weine bin. Im Zweifelsfalle am liebsten reinsortig aus Spätburgundertrauben gekeltert. So wie es bei unserem Wein der Woche vom Weingut Reichert aus Nordheim der Fall ist.

Ein wirklich guter „Blanc De Noir“ bringt genügend Kraft und Substanz mit, um nicht nur den erfrischenden Sommertrunk abzugeben, sondern eignet sich zudem als qualifizierter Speisebegleiter. Dies ist auch der ausschlaggebende Grund, weshalb ich Ihnen heute den 2019er Blanc De Noir von Familie Reichert vorstellen möchte. Er bringt Körper und Rückgrat mit, so dass er auch im Herbst und Winter beispielsweise köstliche Schmorgerichte trefflich begleiten kann.

Bereits seine für diesen Weintypus eher „dunkle“, ins Zwiebelschalenfarbene gehende Tönung lässt vermuten, dass wir es mit einem kräftigen Vertreter seiner Zunft zu tun haben.
In der herrlich aromatischen, reintönigen Nase zeigt er burgundertypische Fruchtanklänge mit Noten von Kirsche, Erdbeere und sogar etwas gelber Pflaume. Neben all diesen betörenden Fruchtnoten scheint aber auch eine würzige, zart kräutrige Komponente im Glas auf, welche zu einem komplexen Gesamteindruck beiträgt.

Am Gaumen beeindruckt der Wein mit einer Kombination aus Kraft und Eleganz. Eine scheinbar widersprüchliche Kombination, welche man nur in ausgewählten Weinen findet. Doch wie kommt ein solches Paradoxon zu stande? Einerseits waren die Trauben dank des heißen Jahrgangs 2019 so reif, dass der fertige Wein mit einem kräftigen Körper in Folge eines spätlesewürdigen Alkoholgehaltes von 13 % Vol. aufwarten kann. Doch andererseits „verschlankt“ die relativ hohe Säure von knapp 7 g/l den Gaumenauftritt des Weines und verleiht eine elegante Anmutung. Was besonders auffällt, nachdem man einen Schluck genommen hat, ist die extreme Zurückhaltung der Frucht am Gaumen. Allenfalls etwas säuerliche Kirschfrucht ist präsent. Ansonsten wird der Abgang hauptsächlich von kalkig-mineralischen Noten geprägt. Und genau dieser Umstand verleitet mich dazu, diesen äußerst gelungenen Blanc-De-Noir-Wein als Begleiter zu kräftigen Schmorgerichten zu empfehlen.

Wie wäre es zum Beispiel mit in Rotwein geschmorten Ochsenbäckchen oder ganz klassisch zu einem Burgunderbraten? Auch einen Rheinischen Sauerbraten mit seinen süß-sauren Geschmackseindrücken könnte ich mir gut vorstellen.

2019 Ortega Kabinett trocken

Weingut Clemens Fröhlich, Escherndorf

Bei der Rebsorte Ortega handelt es sich um ein echtes fränkisches Gewächs, welches heutzutage allerdings kaum mehr unter seinem Sortennamen vermarktet wird.
Sie wurde im Jahr 1948 aus Müller-Thurgau x Siegerrebe an der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Würzburg gekreuzt. Benannt wurde sie nach dem spanischen Philosophen José Ortega y Gasset (1883–1955), den ihr Züchtervater Hans Breider besonders schätzte.

Ihr Name taucht eigentlich fast nur noch in Zusammenhang mit Zeitungsmeldungen auf, in denen, meistens Ende August, vom Auftakt der Weinlese berichtet wird. Wegen ihrer besonders frühen Reife wird die Ortega-Traube fast nur noch als Federweißer vermarktet. Von 1.250 Hektar gesamtdeutscher Anbaufläche Mitte der 1990er Jahre sind heute nur noch 400 Hektar übrig. In Franken schlägt die Sorte mit weniger als 20 Hektar zu Buche. Um so bemerkenswerterist, dass Winzerfamilie Fröhlich aus Escherndorf immer noch einem Ortega-Wein Raum in ihrem Sortiment bietet.

Der 2019er Ortega aus Escherndorfer Lagen ist ein echter Tiefstapler, wenn ich dies so unverblümt feststellen darf. Bei 13,5 % Vol. Alkoholgehalt handelt es sich selbstverständlich um eine satte Spätlese. Denn um vorgenannten Wert zu erreichen, sind ca. 98° Oechsle notwendig. Die Prädikatsstufe Spätlese beginnt bei 90° Oechsle. Genau genommen befinden wir uns sogar näher an der Auslese, welche bei 100° Oechsle anfängt. Trotz alledem handelt es sich um einen knalltrockenen Wein mit seinen gerade einmal 0,4 g/l Restzucker. Der Winzer beschreitet hier einen sehr ungewöhnlichen, eigenständigen Weg.

Früher wurden Weine aus Neuzüchtungen wie Ortega oder auch Huxelrebe ausschließlich restsüß bzw. edelsüß ausgebaut und vermarktet. Unser „Wein der Woche“ wäre noch vor 25 oder 30 Jahren als liebliche Spätlese gekeltert und angeboten worden.

Doch welch einen Kontrast bietet der knochentrockene Kabinett von Winzerfamilie Fröhlich hierzu:

In der Nase präsentiert er sich eher zurückhaltend. Das noble Bukett wird in erster Linie von einer gelben Steinfruchtnote, welche an Pfirsich denken lässt, geprägt. Aber auch eine feinwürzige, an Muskat erinnernde Note, welche sicherlich der Müller-Thurgau als ein Elter beisteuert, nehme ich wahr.

Für einen Wein aus einer nicht gerade hochangesehenen, heutzutage fast ausschließlich für die Produktion von Federweißen verwendeten Neuzüchtung besitzt er ganz schön viel Tiefgang und Strahlkraft. Die Nase ist klar und brillant und geradezu vielschichtig. Neben der bereits beschriebenen Frucht und der Muskatnote zeigt er nämlich zusätzlich hefig-mineralische sowie nussige Anklänge.

Am Gaumen besitzt er durchaus Substanz, bewegt sich aber vom Körper her im mittelgewichtigen Bereich. Geschmacklich dominiert für mich der Dreiklang Pfirsich –Lakritze – Nuss. Als dezent aromatischer und ausgewogener Wein mit harmonischer Säure eignet er sich hervorragend als Speisenbegleiter.

Besonders gut kann ich ihn mir als Begleiter zu hellem Fleisch (Geflügel, Kalb) in sahniger Sauce oder zu einem herbstlichen Pilzgericht vorstellen.

2019 „Frank & Frei“ Müller-Thurgau trocken

Weingut Huller, Triefenstein

Nachdem momentan der bevorstehende Herbst von einem goldenen Spätsommer angekündigt wird, möchte ich noch einmal die sich bietende Gelegenheit nutzen und einen herrlich frischen, eher leichten Weißwein vorstellen.

Für diesen Anlass eignet sich kaum ein Wein besser als ein trockener Müller-Thurgau von einem der Mitgliedsbetriebe der Winzervereinigung „Frank & Frei“. Ist man doch Mitte der 1990er Jahre von Seiten dieser Gruppierung angetreten, das arg ramponierte Image der Sorte gründlich aufzupolieren. Der Müller beanspruchte damals mehr als die Hälfte der fränkischen Rebfläche und galt vielen Weintrinkern als Massenträger, welcher überwiegend zu belanglosen Literflaschenweinen verarbeitet wurde. Und an diesem (Vor-)Urteil war leider auch etwas dran, wie man ehrlicherweise konzedieren muss.

Der Beweis, dass man der Sorte damit Unrecht tut bzw. tat, ist längst erbracht. Und dieser Verdienst gebührt zu einem nicht geringen Anteil der Frank-&-Frei-Gruppierung. Legte man sich doch damals – was heute natürlich nach wie vor gilt – freiwillig entsprechend strenge Regeln auf. An erster Stelle sind hier rigorose Mengenbegrenzungen zu nennen. Weiterhin wurde ein Korridor festgelegt, wie der Ausbau der Weine zu erfolgen hat, damit er einem definierten Geschmacksprofil entspricht. Die Weine wurden und werden entsprechenden blind von allen beteiligten Winzern verkostet, bevor sie unter dem Label „Frank & Frei“ vermarktet werden dürfen.

Michael Huller aus Triefenstein liefert mit seinem trockenen 2019er Müller-Thurgau „Frank & Frei“ quasi den Prototyp eines modernen Sortenvertreters. Fruchtig (reifer Apfel, etwas Ananas), aber nicht zu „knallig“ in der Nase. Der Wein verbreitet eine unheimliche Frische, spontan fühle ich mich an eine Frühlingswiese nach einem Regenschauer erinnert. Zu den fruchtigen und floral-frühlingshaften Noten gesellen sich aber auch noch hefig-mineralische Akzente.

Am Gaumen präsentiert er sich schön trocken mit einer (trink)animierenden, aber harmonisch reifen Säure. Im Nachhall dominieren Frucht und Würze begleitet von einer herben, leicht phenolischen Note. Wie ein Biss in einen saftig-reifen Apfel alter Provenienz. Sie wissen, was ich meine. Nicht die weichgespülten Supermarktsorten von heute. Sondern die mit Säure und Biss, wo saftige Frucht, lebendige Säure und feine Gerbstoffe Ping-Pong spielen am Gaumen.
So geht Müller im 21. Jahrhundert.