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Archiv für das Jahr: 2016

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2015 Scheurebe trocken – natural pur best of .ratsherr.

Weingut Glaser, Nordheim

Wie sagt der Volksmund doch so schön? Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Da wir noch bis zum Jahresende das 100-jährige Jubiläum einer nicht mehr ganz so neuen „Neuzüchtung“ begehen können, möchte ich diese vinologische Steilvorlage nicht ungenutzt lassen und Ihnen heute einen feinen 2015-scheurebe-pur-natural-bestofratsherrTropfen von der Jubilarin „Scheurebe“ vorstellen.

Familie Glaser aus Nordheim scheint ein Händchen für die Sorte zu haben, denn bereits die im Juni hier vorgestellte restsüße Spätlese aus dem Jahrgang 2013 hatte mich seinerzeit richtiggehend begeistert. Heute möchte ich Ihnen die trockene Version aus dem sehr guten Jahrgang 2015 ans Herz legen. Von der Bezeichnungsvielfalt auf dem Etikett sollten Sie sich keinesfalls abschrecken lassen: natural Scheurebe pur best of .ratsherr.

Was auch immer das genau heißen mag, der Wein ist jedenfalls sehr sortentypisch und ein hervorragender Vertreter einer Scheurebe-Stilistik wie ich sie gerne trinke. Ausgeprägt in der Aromatik, aber niemals laut. Von der Frucht her mehr Cassis als Grapefruit. Mit salziger Mineralität am Gaumen. Das war eigentlich schon die Kurzbeschreibung. Für alle, die es ausführlicher mögen, im Folgenden noch eine detailliertere Kostnotiz:

Im Glas zeigt die Scheurebe „best of .ratsherr.“ für einen trockenen 2015er Weißwein eine erstaunlich kräftige Farbe, welche ins Altgoldene geht. Die Nase ist von der Frucht geprägt und zeigt wunderbare Cassis-Noten. Man wähnt sich fast vor einem Strauch mit reifen Schwarzen Johannisbeeren stehend. Sie riechen aber nicht nur die Frucht, sondern auch die Blätter, welche Sie leicht zwischen den Fingern zerquetscht haben.

Nach dem ersten Schluck stellt sich eine gewisse Verblüffung ein. Nicht die Frucht dominiert im Geschmack, sondern eine geradezu mineralische-salzige Komponente zieht ihre gnadenlose Spur über die Zunge. Erst nach einer Weile stellt sich im Nachhall eine fast schüchtern zu nennende Cassis-Note ein. Der Wein bleibt fabelhaft lange am Gaumen haften.

War die 2013er Spätlese aus der Lage Nordheimer Vögelein von Familie Glaser deutlich exotisch in ihrer Art und tendierte stilistisch eher in Richtung „Neue Welt“, so ist die trockene 2015er Version aus dem Volkacher Ratsherr für mich der Inbegriff der klassischen Scheurebe. Und wissen Sie was das Schönste ist? Wir haben nicht einmal die Qual der Wahl. Je nach Lust und Anlass und Laune können wir Genießer uns einmal für die exotische und ein andermal für die klassische Variante entscheiden. Man sollte ohnehin immer beide im Hause haben. Zumindest als Scheurebe-Fan.

2013 Pinot Noir trocken „Barrique“ – Wipfelder Zehntgraf

Weingut Lother, Wipfeld
Für die kalte Jahreszeit: Heute mal einen Spätburgunder

Was für den weinaffinen Genussmenschen sonnenklar sein mag, verlangt für den Gelegenheitsweintrinker unter Umständen nach einer kurzen Erklärung: Seit es das Deutsche Weingesetz erlaubt, verwenden einige Winzer auch internationale Rebsorten-Bezeichnungen auf ihren Etiketten. Da findet sich 2013-pinotnoir-barrique-trockendann von Zeit zu Zeit statt „Weißburgunder“ die Bezeichnung „Pinot Blanc“ auf dem Label oder statt „Schwarzriesling“ „Pinot Meunier“.
Das Weingut Lother kredenzt uns unter dem Namen „Pinot Noir“ einen 2013er Spätburgunder, welcher ganz dem französischen Original aus der Anbauregion Burgund entsprechend im Barriquefass ausgebaut wurde. Die Rebsorte besitzt in der Weinwelt einen Ruf wie Donnerhall und so mag es auch nicht verwundern, dass sie mit knapp 12.000 Hektar Anbaufläche die klare Nummer Eins unter den roten Sorten in Deutschland ist. Allerdings gilt der Spätburgunder als schwierige Sorte, was den Anbau und Ausbau der Weine betrifft. Fehler verzeiht sie kaum. Deshalb gilt sie auch als „zickig“ und hat ihren Ruf als Diva durchaus verdient.
Gemessen am Ergebnis im Glas darf man das Weingut Lother durchaus zu den „Pinot-Verstehern“ im Lande zählen. Sowohl die mittelkräftige, granatrote Farbe als auch die Nase sind „très pinot“. Der zwölfmonatige Ausbau im Barrique(fass) hat im Duft merklich Spuren hinterlassen. So nehme ich ganz typische, rauchig-röstige Aromen wahr, welche mich an Mokka(kaffee) und herbe Schokolade denken lassen. Auch die Frucht kommt nicht zu kurz. Momentan zwar noch etwas im Hintergund verborgen, zeigt sie sich von einer eher herben, an Holunderbeeren und Zwetschgen erinnernden Seite.
Am Gaumen könnte man in Anbetracht von 14,5 % vol. eine echte „Wuchtbrumme“ erwarten. Aber dem ist glücklicherweise nicht so. Der Lother’sche Pinot präsentiert sich geradezu elegant und überraschend frisch im Geschmack. Der erste Eindruck ist von zwetschgenfruchtiger Dominanz geprägt. Aber dazu gesellt sich nach wenigen Sekunden eine wunderbare Würzigkeit (Lorbeerblatt), welche im Zusammenspiel mit der feinen Säure für einen schönen Spannungsbogen am Gaumen sorgt. Der ellenlange Nachhall mündet in zarten Bittertönen, welche Assoziationen an Kakaopulver aufkommen lassen. Die Gerbstoffstruktur ist hochklassig und die feinkörnigen Tannine tragen zusammen mit der feingliedrigen Säure zum eleganten Gesamtauftritt bei.
Wir können uns also beruhigt auf „wilde“ Zeiten gefasst machen, denn zur geschmorten Rehkeule mit Waldpilzen würde ich unbedingt eine Flasche dieses goldprämierten Pinot Noirs empfehlen.

2015 „Blanc de Noir“ Kabinett trocken – Nordheimer Vögelein

Weingut Reichert, Nordheim

Auch wenn mir durchaus klar ist, dass „Blanc de Noir“-Weine nur ein Nischenthema sind, so möchte ich dennoch nicht darauf verzichten Ihnen von Zeit zu Zeit einen Vertreter dieser Kategorie vorzustellen. Für die einen verhält es sich ähnlich wie mit dem Rosé und sie sagen, dass es sich bei dieser Art von Wein weder um Fisch noch um Fleisch handele. Für die anderen, und zu dieser Gruppe zähle ich mich persönlich, stellt ein guter „Blanc de Noir“ eine Bereicherung der Weinvielfalt dar.

2015-blancdenoir-kabinett-trockenAußerdem ergeben sich, wenn man das Ganze kulinarisch weiterdenkt, Kombinationen welche einer „mariage parfait“ nahe kommen.
Ich kann mir kaum einen besseren Begleiter zu Sushi oder Sashimi vorstellen. Und das liegt vor allem an einer bestimmten Eigenschaft dieser Weine: Sie sind nicht von einer (aufdringlichen) Primärfrucht geprägt, sondern deuten nur dezent ihre fruchtigen Aromen an. Gerade zu (Thunfisch-)Sashimi mit seinem zarten Geschmack erweist sich dies als großer Vorteil, da jeder aromaintensive, kräftige Wein diese geschmacklichen Feinheiten übertönen würde.

Bevor ich näher auf den 2015er „Blanc de Noir“ von Familie Reichert eingehe, hier noch für alle Leser, welche nicht mit dem Thema vertraut sind, eine kurze Erklärung, was es eigentlich damit auf sich hat: Der Begriff „Blanc de Noir“ besagt nichts anderes als dass rote Trauben möglichst unverletzt zur Kelter gebracht und sofort abgepresst werden, so dass keine Farbstoffe aus der Beerenhaut in den Saft übertreten können. Das spätere Ergebnis ist mehr oder weniger ein Weißwein aus roten Trauben.

Auf die Reichert’sche Version trifft zweifellos das Adjektiv „mehr“ zu. Im Glas schimmert er mit einem hellen, brillanten Strohgelb, so wie man es von einem Weißwein gewohnt ist.
Das Nasenbild ist, so wie ich es von einem typischen Vertreter der Gattung erwarte, eher dezent. Es drängt sich keine vordergründige Frucht auf. Allenfalls etwas Netzmelone und gelbe Pflaume. Dazu gesellen sich feine Kräuternoten und ein hefig-mineralischer Duftkern. Die Nase ist absolut betörend und strahlt die Anziehungskraft reinsten Nektars aus. Die Vorfreude auf den ersten Schluck wächst quasi von Sekunde zu Sekunde.

All jene unter uns, welche einen weichgespülten, konturlosen „Faserschmeichler“ erwarten, muss ich enttäuschen. Ganz Kind seines Jahrganges, besitzt der Reichert’sche „Blanc de Noir“ vom Spätburgunder eine konturscharfe Säure und Grip verleihende, phenolische Noten. Der Wein erzeugt ein Mundgefühl das förmlich zum Kauen anregt und appetitfördernd ist. Frucht ist am Gaumen nahezu Fehlanzeige, vielmehr bleiben im Nachhall würzige bis salzige Noten zurück. Aber gerade diese leicht salzigen, mineralischen Noten sollten ausgezeichnet zu den jodigen, von meeresanklängen durchzogenen Noten von Maki-Sushi passen. Et voila! Damit schließt sich der Kreis zu meiner bereits eingangs erwähnten Speisenempfehlung.

2015 Kerner Spätlese halbtrocken – Nordheimer Vögelein

Weingut Knoblach, Nordheim

Vor einigen Wochen habe ich an dieser Stelle der Rebsorte Kerner das Prädikat „megaout“ verliehen. Und auch prompt die Argumente dafür geliefert. 2015-voegelein-kerner-spaet-ht-bbBinnen 20 Jahren hat die Sorte, einst zu der Winzerschaft Lieblingskindern gehörend, mehr als 60 % ihrer Anbaufläche verloren. Hätte man ihr den Prozess gemacht, so wäre einer der Hauptanklagepunkte gewesen, dass Sie zwar viel Zucker bildet, sprich hohe Mostgewichte liefert, aber das Ganze mit wenig Extrakt unterfüttert ist.

Wenn dem wirklich so ist und sie sonst nur wenige Vorzüge zu liefern hat, dann frage ich mich, weshalb sie jemals so populär werden konnte. Gewiss Moden kommen und gehen, aber ein solches Schicksal hat die Rebsorte in meinen Augen nicht verdient, Deshalb möchte ich auch an dieser Stelle ausdrücklich eine Lanze für diese zum „Aschenputtel“ degradierte Sorte brechen.

Familie Knoblach unterfüttert meine These, dass viele Rebsorten besser sind als ihr Ruf, sofern sich der Winzer auch Mühe mit ihnen gibt auf genussvolle Art und Weise.
Denn nichts mehr und nichts weniger ist die 2015er Spätlese aus der Lage „Nordheimer Vögelein“: ein Hochgenuss.

Das beginnt schon bei der strohgelben, glänzenden Frarbe im Glas. Die Nase ist keineswegs opulent, aber wunderbar fruchtig mit einer exotisch-herben Komponente, welche sich später auch am Gaumen wiederfindet. Es ist nicht immer leicht passende Assoziationen zu finden, aber am nächsten kommt für mein Empfinden der Vergleich mit einem Vertreter aus der Familie der Nachtschattengewächse: die Blasenkirsche, besser bekannt unter dem Namen Kapstachelbeere oder auch Physalis. Daneben schwingt aber auch eine gehörige Portion Mineralik in Form einer „erdigen“ Würze mit.

Am Gaumen zeigt sich dieser feine Tropfen dann auch ein Stück weit als Kind seines Jahrgangs. 2015 war durchaus ein guter bis sehr guter Jahrgang, allerdings hat die große Hitze im Juli teilweise zu Verzögerungen im Reifeverlauf geführt. Vielen Weinen ist eine leicht phenolische Note zu Eigen, welche nicht immer unproblematisch ist. Allerdings bildet die Knoblach’sche Kerner Spätlese definitiv eine Ausnahme, da die angesprochene Note zwar leicht ausgeprägt vorhanden ist, aber im Zusammenspiel mit der dezenten Süße und der feingliedrigen Säure zu einem komplexen Gaumenauftritt beiträgt. Vor allem im Geschmack zeigt sich die bereits oben erwähnte herb-exotische Note. Süße, Säure und zarte Bitternoten bilden ein ausgewogenes Ganzes. Alles befindet sich im Gleichgewicht und sorgt für großes Trinkvergnügen.

Mein Appell an die Winzerschaft lautet jetzt nicht unbedingt: „Pflanzt mehr Kerner“. Und zwar aus dem ganz einfachen Grund, weil es eine große Zahl wertvoller, pflanzwürdiger Sorten gibt. Aber rodet die bestehenden Flächen bitte auch nicht voreilig, denn die Sorte ist besser als ihr Ruf. Just my 5 cents.

2015 Blauer Silvaner Spätlese trocken – Untereisenheimer Höll

Weinerlebnis Stühler, Eisenheim

Im Vergleich zum „normalen“  Grünen Silvaner mit seinen mehr als 1.200 Hektar kann man die Anbaufläche des Blauen Silvaners mit Fug und Recht als verschwindend gering 2015-hoell-blauersilvaner-spaet-trocken-bbbezeichnen. Doch eine Frage muss in diesem Zusammenhang, vor allem im Interesse des interessierten Weintrinkers, unbedingt gestellt werden: genießt die Sorte lediglich einen „Raritätenbonus“ oder liefert Sie im Glase auch eine qualitative Rechtfertigung?

Bei aller Ähnlichkeit mit der Muttersorte „Grüner Silvaner“ ist nach meiner Erfahrung dem „Blauen Silvaner“ vor allem das Kriterium der im Durchschnitt etwas ausgeprägteren Würze zu eigen. Die 2015er Spätlese-Version von Familie Stühler ist sozusagen ein Musterbeispiel für diese These. Der Wein befindet sich noch in einem geradezu embryonalen Stadium seiner Entwicklung. Aber neben einer strahlenden, reintönigen Frucht nach Apfel und Birne zeigt er bereits in der Nase eine wunderbare, feinziselierte Würznote, welche erst am Gaumen zur vollen Entfaltung gelangt. Die Farbe ist mit ihrem hellen Strohgelb für einen Blauen Silvaner eher „unauffällig“, kann die Sorte je nach Jahrgang und Vorgehensweise beim Ausbau auch einen rötlichen bis kupferfarbenen Schimmer aufweisen.

Am Gaumen kommt dann der große Auftritt dieser tiefgestapelten Spätlese. Denn bei 15% vol. Alkohol handelt es sich tatsächlich um eine trockene Auslese. Bevor Sie jetzt erschrocken weiterklicken, kann ich Sie aber beruhigen. Der Wein ist zwar kein Leichtgewicht, aber keineswegs brandig oder alkoholisch im Geschmack. Viskos gleitet er über die Zunge und hinterlässt zunächst einen fruchtigen Eindruck, der aber nach ein paar Sekunden bereits von einer intensiven, fast schon salzigen Mineralität und Würze verdrängt wird. Im langen Nachhall schwingt schlussendlich noch eine zarte Note von Walnußschale mit.

Diese Art von Wein ist etwas aus der Mode gekommen. Früher haben sich hin und wieder verschiedene Weingüter an trockene Auslesen herangewagt. Heutzutage ist dies eher die Ausnahme. Zugegeben, als Schoppenwein ist diese Granate von Wein vielleicht doch etwas zu viel des Guten, aber warum nicht von Zeit zu Zeit auch einmal etwas über die Stränge schlagen. Leichtweine haben wir mittlerweile mehr als genug.

Auch eine kulinarische Empfehlung habe ich zum Abschluss noch für Sie parat: Sie sollten diesen besonderen Tropfen unbedingt im Herbst zu (Stein-)Pilzgerichten probieren. Eine ideale Marriage wie ich finde.